Seit einigen Tagen beschäftigt ein Vorgang die lokale Politik des Flecken Langwedel, bei dem es darum geht, dass Bürgermeister Andreas Brandt zusammen mit dem stellvertretenden Bürgermeister Dr. Prüser am 17.07.15 ohne Beteiligung der Ratsgremien eine Eilentscheidung dazu getroffen hat, dass für den Endausbau der Straßen im Gewerbegebiet Daverden über die bereits bewilligten 850.000 € eine überplanmäßige Ausgabe von 555.000 € bewilligt wird. Diese Entscheidung wurde auf der Basis von § 89 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes getroffen. Hiernach kann in dringenden Fällen, wenn eine vorherige Entscheidung zumindest des Verwaltungsausschusses nicht eingeholt werden kann und der Eintritt erheblicher Nachteile und Gefahren droht, der Bürgermeister zusammen mit einem seiner Stellvertreter eine Eilentscheidung treffen.
Die Eheleute Krüler von den Grünen haben nun diesen Vorgang zum Anlass genommen, den Bürgermeister am 28.07.15 zur Stellungnahme aufzufordern. Dieser hat daraufhin gegenüber allen Ratsmitgliedern Stellung genommen und sich dabei insbesondere dafür entschuldigt, dass er einen „formellen Fehler“ begangen habe, der darin lag, dass er vor der Eilentscheidung nicht zumindest versucht hat, den Gemeinderat oder den Verwaltungsausschuss zu beteiligen – letzteren ggf. auch im nach dem Gesetz zulässigen schriftlichen Umlaufverfahren.
Mit der Erklärung und Entschuldigung des Bürgermeisters schien die Sache somit zunächst klargestellt.
Gleichwohl haben die Eheleute Krüler in der Folge die Kommunalaufsicht eingeschaltet und offenbar zugleich die Presse informiert. Daraufhin erschien am Samstag der VAZ-Artikel „Bürgermeister Brandt gibt im Alleingang 555.000 Euro aus“ aus dem sich vor allem zwei Dinge herauslesen lassen:
1. Der Bürgermeister habe eigenmächtig und rechtswidrig gehandelt und dadurch die Ratsmitglieder gehindert, ihre Rechte auszuüben. Dieses gipfelt in dem Artikel darin, dass der Bürgermeister in der Überschriftunterzeile als „Beschuldigter“ bezeichnet wird – ein Begriff, der aus dem Strafrecht stammt und regelmäßig auch nur dort Verwendung findet.
2. Zwischen den Zeilen wird suggeriert, dass mit der Eilentscheidung die Geltendmachung eventueller Schadensersatzansprüche erschwert oder sogar unmöglich gemacht worden sei.
Zudem wurde am Montag eine Stellungnahme der CDU-Fraktion veröffentlicht, wonach die CDU den Rücktritt des Bürgermeisters fordert. Dieser Forderung haben sich die Grünen nunmehr angeschlossen.
Hierzu vertritt die Gruppe WGL/Noltemeyer folgende Auffassung:
1. Es ist richtig, dass die Entscheidung als Eilentscheidung ohne Einschaltung zumindest des VA rechtlich fehlerhaft war. Gleichwohl dürfte das Ergebnis auch bei Einschaltung der Ratsgremien kaum anders ausgefallen sein. Hierzu ist festzuhalten, dass die Feststellungen über den Mehraufwand wegen des unzureichenden Zustandes der Baustraßen erst gemacht wurden, als mit der Baumaßnahme bereits begonnen war. Die Alternative bestand somit darin, die Baumaßnahme für einige Zeit zu unterbrechen und so die Fertigstellung insgesamt mit den entsprechenden Folgen für die ansässigen Gewerbebetriebe zu verzögern oder eine Eilentscheidung des Rates bzw. des VA herbeizuführen. Hier hätte sich tatsächlich das Umlaufverfahren bzw. bei fehlendem Einverständnis eine kurzfristige Einberufung des VA angeboten. Nur: Wir sind überzeugt davon, dass bei der gegebenen Sachlage die Ausgabe zumindest mehrheitlich, wenn nicht sogar einstimmig – nicht nur angesichts der vorgenannten Folgen einer Ablehnung – bewilligt worden wäre. Das Fehlverhalten des Bürgermeisters und seines Stellvertreters ist also tatsächlich auf den formellen Anteil zu reduzieren und sollte auch nur unter diesem Gesichtspunkt diskutiert werden.
2. Völlig daneben liegt die Vermutung dahingehend, dass die Entscheidung in irgendeiner Weise Einfluss auf die Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz haben könnte. Diese sind völlig unabhängig davon und könnten, so sie denn überhaupt bestehen, immer noch geltend gemacht werden. Das bedarf aber einer sorgfältigen Prüfung. Zum Beispiel: Wo liegt überhaupt ein Schaden, denn grds. wären die Mehrkosten doch wohl auch angefallen, wenn man die Erneuerung des Baustraßenunterbaus von Anfang an in Auftrag gegeben hätte? War die Notwendigkeit der Erneuerung des Baustraßenunterbaus vor Auftragsvergabe überhaupt erkennbar? Wer hätte das erkennen können oder müssen bzw. wer ist für evtl. Mehrkosten – z.B. dadurch, dass bei einer umfassenden Auftragsvergabe von Anfang an das Gesamtangebot evtl. günstiger ausgefallen wäre – überhaupt verantwortlich?
Wie gesagt, alle diese und weitere Fragen sind sorgfältig zu prüfen und das hat nichts damit zu tun, dass hier eine – formell fehlerhafte – Eilentscheidung getroffen worden ist.
All das zusammengefasst, scheint uns die Aufgeregtheit über den Vorgang und insbesondere die Rücktrittsforderung völlig überzogen. Wir sollten lieber darüber diskutieren, wie es dazu kommen konnte, dass der Bürgermeister offenbar angenommen hat, er könne eine derartige Entscheidung ohne vorherige Beteiligung des Rates treffen. Welche Einstellung des Bürgermeisters steckt hinter einer solchen Handlungsweise? Worin liegt diese Einstellung begründet? Hat das bisherige Verhalten vor allem der beiden großen Fraktionen in der Vergangenheit nicht wesentlich dazu beigetragen? Diese haben nämlich fast ausnahmslos seit Beginn der jetzigen Wahlperiode jedem Beschlussvorschlag der Verwaltung zugestimmt. So sollte es eventuell nicht verwundern, dass dabei der Eindruck entsteht, die Beteiligung des Rates sei tatsächlich mehr formeller Natur. Und von der Einschätzung als „bloße Formalie“ bis zu der bewussten oder unbewussten Einschätzung, dass es sich hierbei zwar um eine gesetzlich geforderte, inhaltlich aber nicht unbedingt weiterführende Pflichtaufgabe handelt, ist es dann nur noch ein kleiner Schritt.